Wer das Rennen um einen freien Parkplatz gewonnen hat, darf rein: In den grossen blaugelben Tempel der Glückseligkeit. Ikea ist herrlich. Ideal für einen Tagesausflug. Auch das leibliche Wohl kommt nicht zu kurz. Hot-Dogs für einen Franken. Frühstück für 2.50. Sogar gratis Kaffee. Und natürlich Köttbullar, das schwedische Pendant zum Kebab. Obwohl eigentlich niemand etwas essen sollte, das so aussieht und so genannt wird.
Alles so schön günstig hier! Und gleich zum Mitnehmen! Interessante Sozialstudien gibt`s inklusive. Auch schon gewundert, wer diese überdimensionalen Samichlausruten kauft? (Ich bin immer wieder erstaunt, wie normal diese Leute aussehen!) Und: So viele zankende Pärchen sieht man sonst nur als Paartherapeut. Jeder Besuch entpuppt sich als Hindernislauf durch zwischenmenschliche Minenfelder. "Oh nein, da vorne ist dieses fürchterliche Himmelbett. Hoffentlich beginnt sie nicht wieder damit..." Wieviele Beziehungen haben in der Ikea wohl schon ein abruptes Ende gefunden?
Für andere Pärchen wirkt der Aufenthalt kathartisch. Hier kommen endlich untergründig schwelende Konflikte zur Sprache. Man kann sich so richtig anzicken, die Meinung geigen und dann, angesichts anderer keifender Pärchen einsehen, dass alles halb so wild ist. "Ach, lass uns doch nochmal drüber schlafen..." Dann kauft die Frau ein paar Duftkerzen und der Mann holt sich Hotdogs und alles ist wieder gut. Ikea ist der Prüfstein für Beziehungen: wer in Frieden und Eintracht rauskommt, hat beste Voraussetzungen für ein gemeinsames Leben. Das nennt sich dann Ikea Family.
Der Lärmpegel ist ein Minuspunkt. Das Quengeln und Brüllen der vielen gelangweilten Zwerge, die sich nicht nach Smaland abschieben liessen, stellt jeden Kinderwunsch in Frage. Eigentlich sollte so ein Ikeabesuch für verliebte Teenager obligatorisch sein. Die Mädels würden unverzüglich in die nächste Apotheke rennen und sich ein Jumbopack Antibaby-Pillen holen.
Ikea floriert, auch in der Krise. Warum? Ikea verspricht nicht nur ein besseres, aufgeräumteres Leben. Ikea verspricht Glück. Und das billig und sofort. "Kajsa","Aina", "Ritva": was klingt wie die Namensliste eines ukrainischen Escort-Service sind poppigbunte Kissenhüllen, die ebenfalls Spass und Entspannung feilhalten. Dazu noch ein "Langasjö", zwei "Ljuvlig" und ein "Knodd": fix in die gelbe Tasche und ab nach Hause zum gemeinsamen coocooning.
Das wahre Erfolgsgeheimnis ist das Selberbauen-Prinzip. Wer je schweissnass und mit Blasen an den Händen weit nach Mitternacht vor einem ENDLICH richtig zusammengebauten Kleiderschrank gestanden hat weiss: solchen Stolz, solche Glücksgefühle kann ein fertig gelieferter Möbel Pfister Schrank nicht auslösen.
Und so lässt sich fast jeder verführen. Auch wer nichts braucht, wird fündig. Rechaudkerzen kann man nie genug haben, oder? (Man kann.) Hypergrün glänzende Zimmerpflanzen (könnten sie pinkeln würde man sie wegen Dopingverdacht überprüfen) werden oft spontan zu neuen Mitbewohnern. Äusserst undankbaren. Kann man es ihnen übelnehmen? Das wäre, als würde man einem Junkie plötzlich nur noch Wasser spritzen. Der würde auch bald ziemlich schlecht aussehen.
Meine neuste Anschaffung heisst "Gorm". Ein schlichtes Holzgestell für den Keller. Mein Keller sieht nämlich nicht so neat and tidy aus wie derjenige auf Seite 296 des Katalogs. Mein Keller ist dunkel und staubig, er hat unheimlich rasselnde Leitungen und einen rostigen Gully, aus dem es streng riecht. Hier gibt`s Spinnen, Asseln und anderes lichtscheues Gesinde. Es modert, müffelt, mieft. Das "Kellergorm", im Schweisse meines Angesichts aufgebaut, sollte als rettender Engel skandinavisches Licht ins dunkle Verlies bringen. Auf seinem Altar habe ich Tränen und Blut vergossen, zu seinen Füssen habe ich mich hingekniet und gebetet: "Liebes "Gorm", bitte mach das Teil E auf Teil A passt, sonst muss ich nochmal von vorn beginnen." Aber das "Gorm" ist streng. Und eigensinnig. Und der Keller sieht immer noch nicht so aus wie im Katalog, auch nicht, als ich alle Blumentöpfe (die unsterblichen Überreste der gedopten Pflanzen), leeren Schachteln, die 13 Beutel Rechaudkerzen, die Reisetaschen und das restlichen Gerümpel säuberlich verstaut hatte. Er sieht immer noch aus wie ein Verlies. Eines mit einem Gestell. Ich muss wohl nochmal zu Ikea fahren...
Mittwoch, 12. August 2009
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