Mittwoch, 17. Februar 2010
Reform me!
Als Frau und Veganerin landet man gezwungenermassen früher oder später dort. Und hat man seine ersten Zweifel überwunden, fällt es mit jedem Mal leichter. Bald geht man regelmässig, ja fast gern hin. Die Hard-Core-Anhänger erkennt man sofort, sie werden mit Namen begrüsst.
Mein erstes Mal liegt nun schon eine Weile zurück. Ich hatte dieselben Bedenken wie alle. Der Geruch, die weissen Schürzen, die vielen Körner! Als ich das erste Mal ein Schweizer Reformhaus betrat, befürchtete ich griesgrämige Zwangsgesundheit mit fadem Beigeschmack. Männer mit schütterem Barthaar und Jesussandalen. Frauen mit Hängebusen und handgebatikten T-Shirts. Still und leise betrat ich den Laden und schlich zwischen den Gestellen hindurch wie ein Dieb. Ich erwartete eine Art Parallel-Gesellschaft, wie man sie in Modell-Eisenbahn-Läden, Koscher Delis oder in einer Bomboniera sieht. Doch musste ich mich vom Gegenteil überzeugen lassen. Nun gut, da waren ein paar alte Omas. Und die eine oder andere Getreidemühle. Aber sonst, ey, gaanz normaale Leute!
Haltet mich jetzt nicht für oberflächlich. Ich meine, nur schon der Name ist doch blöd: "Reformhaus". Als Reformhaussonderbauftragte würde ich als erstes eine Umbenennung anstreben. Coop heisst ja auch nicht mehr "Drogen und Kolonialwaren". Um das verstaubte Image loszuwerden könnte man sich beispielsweise der grassierenden Anglizierung bedienen: "House of Health"!
Das Problem liegt auf der Hand, oder besser auf der Zunge. Da der gemeine Schweizer unfähig ist, das "th" richtig auszusprechen, hätten wir über kurz oder lang das "Haus of Hells". Und das wäre wiederum sehr imageschädigend. Obschon gewisse Dinge die hier angeboten werden direkt der Hölle oder zumindest einer Folterkammer entsprungen sein müssen. Sauerkrautsaft zum Beispiel. Pilztee. Nasenduschen! Oder das Klistier!
Es gibt aber auch tolle Sachen hier. Bei Reformhaus Müller am Rennweg gibts etwa Noppas Tofubällchen. (Der Tofutipp, für alle die Tofu hassen.) Frisches, gutes Brot. Viele viele Teesorten. Traktor Smoothies. Milchfreier Zimt-Schoko-Brotaufstrich. Und das absolut waaahnsinns leckere vegane Booja-Booja Schokoladen Eis!
Neulingen rate ich, frisch drauflos zu probieren. Vieles was merkwürdig aussieht, schmeckt gut. Nicht gleich entmutigen lassen. Die ersten Tofuplätzchen, die ich versuchte, schmeckten so widerwärtig, dass ich versucht war, die Vegi-Sache aufs nächste Leben zu verschieben.
Ich behaupte, Reformhäuser sind der nächste Hype! Vielleicht könnte man den Namen mit dem unsäglich religiösen Touch sogar lassen. Das Reformhaus wird boomen. Gerade hier im noch immer vom zwinglianischen Geist durchzogenen Zürich! Gerade jetzt in Zeiten der Krise sehnen sich die Leute nach Authenzitität. Es lebe das Ifood! Weg mit dem E-Stoffen, Emulgatoren, Aromen und all dem Teufelszeug. Oh vergib mir Körper, denn ich habe gesündigt. Ich war bei Lidl und hab mir Pommes Chips gekauft. Und ..schluck.. gegessen. Asche über unsere Häupter! Lasset uns neu anfangen! Ja auch wir wollen uns läutern und reinigen, entgiften und entschlacken, ausleiten und verjüngen und abspecken sowieso. Reform me!
Es passt doch auch so schön zum Rehab-Trend! Im Angelsächsischen Raum bereits weit verbreitet sind die Whole Foods Market, eine hippe Mischung aus Bio-Laden und Drogerie. Hier kaufen nicht nur alle LOHAS ein, sondern auch die gesamte Prominenz.
Alle Aldi-Kunden werden sich bald was schämen müssen. Jaha, es wird dann Selbsthilfegruppen geben, die AA, Aldi Anonymous: "Hallo, main Name is Jürgen ond ick.. ick.. kauf bei Aldi." -Hallo Jürgen! - "Anfangs, da bin ick ja nua hin und wieda hingegangen. Aba da war alles so schön billich. Ond mittlaweile geh ick fast jeden Tach. Jetzt hab ick da diesen Ausschlach gekriecht..."
Auch die werdens irgendwann einsehen. Reformhaus rules!
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Hallo Zidaya
AntwortenLöschenAls ich das erste Mal ein Reformhaus betrat hatte ich so ähnliche Eindrücke, wie Du sie hier schilderst. Wo ich jetzt lebe, in einer kleinen Stadt in der Eifel, gibts kein Reformhaus mehr, aber dafür ein tolles Biogate, wo es etwas unsteriler zugeht. Auch ich sündige noch ab und zu, komme aber immer wieder auf die vegane Kost zurück, weil ich mich einfach damit wohler fühle, abgesehen davon, dass es den Tieren nur zum Besten gereicht.
alles Liebe Magdalena