Donnerstag, 20. Mai 2010
Frustshopping für Gärtner
Ja das Wetter, das Wetter, das Wetter. So schön vor allem wir Gärtnerseelen den Regen finden, weil er tausend Varianten Grün spriessen und gedeihen lässt, so gerne würden wir wieder einmal die Sonne sehen, damit wir den Garten nicht immer nur aus dem Fenster geniessen können.
Nun, jammern hat noch nie die Sonne scheinen lassen, darum halte ich es mit den Briten: rein in die Wellies und ab ins Freie. Doch ist die Gärtnerin tapfer, heisst das noch lange nicht, dass ihre Schützlinge es auch sind. Den neuen Päonien scheint die ständige Nässe gar nicht zu behagen, sie zeigen ihren Unmut mit merkwürdiger brauner Blattwelke. Die hübschen rosa-gefüllten Tulpen sind gefüllt mit Regenwasser und lassen ihre schweren Köpfe hängen. In den Töpfen wächst Moos, die duftenden lila Blütentrauben der Glyzinien lösen sich auf. Fast die Tränen kommen mir aber, als ich feststelle, dass sowohl die Knollen der Echinacea als auch die der wunderschönen, gefüllten Aquilegien (Sorte Ruby Port), die ich vor ein paar Wochen in Töpfe gesetzt hatte, sich in eklige, braune Fetzen verwandelt haben. Da hätte ich noch lange warten können, bis sie austreiben!
Was dagegen nützt? Nichts. Was hilft? Frustshopping.
Ab in die altehrwürdige Kyburg, wo im Burghof ein Setzlingsmarkt mit alten Sorten stattfinden soll. Auf der Fahrt wird der Regen noch stärker und die Enttäuschung ist gross, als wir feststellen müssen, dass der Markt nur aus vier Ständen besteht und im Burggarten, nicht im Hof stattfindet.
In erster Linie bieten die Stiftung Palme Pfäffikon und das Gehörlosendorf Turbenthal Setzlinge aus ihren betriebseigenen Gärtnereien an. Unter der üblichen Auswahl an Zucchini, Salaten und Kräutern finden sich aber doch einige Besonderheiten, etwa verschiedene Chilisorten, Baumspinat oder die Genfer Tomatensorte Tomate de Paudex.
Ich kaufe mir einen kräftigen Kürbissetzling. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich den Namen vergessen habe. Jedenfalls ist es nichts Rares, hat sich aber im Garten und in der Pfanne bewährt. Dann decke ich mich mit Rosmarin ein (meiner hat nämlich trotz Topfmäntelchen und Vlieshaube den letzten Winter nicht überstanden) und ergänze meinen Einkauf mit einer Staude Bohnenkraut.
Trotz des Regens bummeln wir anschliessend durch das pittoreske Dörfchen, dessen Besuch sich nicht nur wegen der grossen Burg lohnt. Wer wie ich gerne seine Nase über fremde Gartenhäge streckt, wird rasch feststellen, dass die Dorfbewohner äusserst pflanzenliebend sind.
Und ein Waldlehrpfad führt einem die lange, lange Treppe hinunter zur Töss:
Derart inspiriert setze ich meinen Einkauf fort, diesmal in einer meiner Lieblingsgärtnereien: "Gartehändsche" in Brütten. Hier muss ich jedesmal aufpassen, dass ich mich nicht ins Armenhaus befördere, weil ich ob der grossen, gut gepflegten Auswahl an Pflanzen immer in einen regelrechten Kaufrausch gerate. Diesmal stecke ich sogar meinen Liebsten an, der normalerweise den Garten in erster Linie wegen seines Grills schätzt. Mit Tomatensetzlingen, Wermut, Broccoli und Artischocken beladen folgt er mir nach erfolgtem Einkauf hinaus in den Garten. Glücklicherweise hat der Regen gerade eine Pause eingelegt, denn auch ich hab einiges zu verpflanzen. Nebst dem namenlosen Kürbis, dem Rosmarin und Bohnenkraut habe ich mir Kapkörbchen (Osteospermum) gekauft, deren Leuchtkraft ich einfach nie widerstehen kann, ausserdem Zucchettisetzlinge und schöne weisse Hänge-Geranien, die ein dunkles, pinkes "Mäulchen" haben, für meine stark besonnten Fenstersimse. Ok, gerade sind sie äusserst unbesonnt. Aber das wird schon wieder. Da mein erster Aquilegien-Versuch gescheitert ist, habe ich mir eine bereits ausgetriebene gekauft, eine wunderbare rosa-gelbe Sorte, wahrscheinlich extrem hochgezüchtet, aber daher dem Namen "Elfenschuh" mehr als gerecht werdend. Mein absoluter Favorit ist aber der Island Mohn (Papaver Nudicaule), der nicht nur kaltes Klima, sondern auch Vulkanausbrüche und Wirtschaftskrisen ohne Wimpernzucken erträgt, ein echter Wikinger eben. Nicht nur seine silbergrünen Blätter und seine kuschelig behaarten Knospen erfreuen das Gärtnerinnenherz, sondern auch die grosse Blüte, mit den wunderschönen zarten Blütenblättern und den goldgelb leuchtenden Staubblättern. (Man möge mir die Adjektiv-Anhäufung verzeihen...)
Abends finde ich auf dem Pflanzschildchen noch folgende Geschichte: "Es wird erzählt, Demetra, Königin der Felder und der Ernten habe nach dem Tod ihrer Tochter durch den Aufguss der Mohnblume zu ihrer Ausgeglichenheit zurückgefunden. Die Bedeutung der Papaver ist daher die des Trostes." Hmm. Was könnte wohl mit Aufguss der Mohnblume gemeint sein? Ist die gute Demeter dem Opium verfallen? Aber das wird doch aus der Milch der Kapsel des Schlafmohns gewonnen?
Kurzes Googeln führt mich schnurstracks auf eine Seite von Naturdrogenfreaks, die sich in einem Forum gegenseitig Tipps zum DIY-Rausch geben. Haarsträubend sind nicht nur die todesmutigen bis leichtsinnigen Rezepturen, in denen frischfröhlich Tollkirsche, Mohn, Stechapfel, Bilsenkraut, Engelstrompeten und andere Giftpflanzen gemischt werden, sondern auch das verwendete Deutsch, das jeden Deutschlehrer in den Wahnsinn treiben würde, ganz ohne pflanzlich nachzuhelfen.
Weiteres Googeln führt mich zu Wikipedia, wo angegeben wird, dass ein Aufguss aus den Blättern des Islandmohn früher wegen seines Vitamin C Gehalts zur Vorbeugung von Skorbut getrunken wurde. Aha.
Ich jedenfalls werd mich einfach am Anblick der Pflanze erfreuen. Angeblich soll sie bis in den September hinein blühen.
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