Samstag, 5. September 2009

Altruismus kann mich mal

Ab sofort bin ich nicht mehr nett. Nicht böse, nein, aber einfach nur noch gänzlich um mich selbst besorgt.
Fortan könnt ihr noch so verzweifelt mit dem Stadtplan wedeln, ich werde stoisch weitergehen. Warum müsst ihr auch immer mich nach dem Weg fragen? Ist es, weil ich so normal aussehe? So....nett? Daran wirds liegen. Nett, Sie wissen schon, "Mädchen-von-nebenan-Typ", lustig-knolliges Kartoffelnäschen und Bambiaugen, gepaart mit seriösem Look. Na was heisst schon seriös, anständig halt, Jeans, Stiefel, glänzendes Haar und so.
Ich meine, wenn ich die Wahl hätte, eine alkoholisierte Teenieposse, einen tattrigen Greis am Rollator oder mich nach dem Weg zu fragen, würd ich mich auch an mich selbst wenden.
Ich sehe nämlich nicht nur nett aus, ich bins auch.
Oder war es. Ab sofort halte ich es mit Sokrates: Ich weiss nur, dass ich nichts weiss.
Das hielt mich nämlich bisher nicht davon ab, den Leuten Auskunft zu erteilen.
So erklärte ich vor einiger Zeit einem verirrten Ami am Zürcher HB umständlich, wo er den Burger King finden könne. Wenig später entdeckte ich zu meiner Überraschung besagtes Lokal, nur wenige Meter entfernt, in der Bahnhofshalle.
Dumm nur, dass ich den Ami nach Oerlikon geschickt hatte.
Ihr seht also, meine neue Unhilfsbereitschaft ist zu eurem eigenen Wohl.
Diese wird sich nicht nur auf Menschen, sondern auch auf alle anderen Lebewesen erstrecken: Hatte ich doch neulich eine Spinne in meinem Schlafzimmer entdeckt, die fast am Staub unter dem Bett erstickte. Ich fand es zu ihrem wie zu meinem Wohl besser, sie ins Freie zu befördern. Am nächsten Morgen fand ich sie, auf dem Rücken liegend, die langen Beine jämmerlich gekrümmt, erfroren auf meinem Fenstersims...
Aber wie es mit guten Vorsätzen so ist -es ist schwer, sie zu halten. Letzte Woche befand ich mich an einer Vernissage, an der, nebst anderen Artefakten, in Gips gegossene Törtchen und Kaffeesets arrangiert waren. Durch die Ausstellung wandernd sah ich von weitem eine Frau, die gerade nach einer Praline griff. Entsetzt verzog ich das Gesicht und schüttelte den Kopf. Sie erstarrte, Mund offen, Praline auf halbem Weg. Dann begann sie herzhaft zu lachen. Besagte Pralinen waren in der Tat als Häppchen gedacht und als kleiner Scherz der Künstlerin auf weissen Podesten zwischen den Ausstellungsstücken präsentiert.
Merkt euch also: Ich bin nicht die dargebotene Hand und auch nicht die Touristeninformation. Ich bin einfach jemand, der mit Bambiaugen und Knollennase seines Weges geht und ab sofort dazu steht, dass er keine Ahnung hat.
Ab sofort werd ich allen verirrten Amis sagen: "Gosh, I have no idea.
What the hell would a vegetarian know about Burger King? And why the f*** would you want to go there anyway?! You`re in Switzerland, goddammit!
I mean, I don`t like Fondue either, yuck, all this gooey smelly cheese stuff, but there`s so much delicious stuff to eat here in Zurich!
Take the "Alpenrose", for example.
Okay, now if you go straight ahead, then turn to your right..."