Samstag, 10. Juli 2010

Der Berg ruft



Wie schön, wenn man Urlaub und Arbeit verbinden kann: es geht ins Wallis, auf die Haute Route über die Alpen. Zu Fuss selbstverständlich. Zwei Wochen lang nur Rucksack, Berge, meine Nikon und ich. Ich sehe mich schon vor mir: kühn, gebräunt, das Haar im Winde flatternd besteige ich abenteuerlustig und forschen Schrittes die höchsten Gipfel, führe souverän meine Interviews, schiesse sensationelle Aufnahmen, die Preise erhalten werden, rette verunglückte Bergsteiger aus der Not, entdecke eine neue Edelweisssorte, die anschliessend nach mir benannt wird, inspiriere die Sennen zur Herstellung eines noch nie dagewesenen Käse, helfe einer Kuh ihr Kalb zur Welt zu bringen, nebenbei wandere ich natürlich täglich locker mindestens acht Stunden und sehe am Ziel auch ohne Schminke, Augenbrauenpinzette und vorteilhaft sitzender Kleidung so frisch und strahlend aus, dass ich als Modell für Mammut unter Vertrag genommen werde.

Spass beiseite. Ehrlich gesagt: unter die Vorfreude mischen sich, je näher die Abreise rückt, täglich mehr Furcht und Zweifel. Heute, ein Tag vor der Abreise bin ich starr vor Angst. Wie werde ich zwei Wochen ohne meinen Kayal, ohne meine Kopfkissen, ohne meinen Laptop, ohne mein morgendliches Müesli und vor allem ohne meinen Liebsten überleben?
Werde ich es schaffen, vierzehn Tage lang mit meinen Habseligkeiten auf dem Rücken zu wandern, ohne auf halbem Weg zusammenzubrechen, so es mir denn gelänge, nicht vorher in ein Tobel runterzupurzeln? Oder an einer Käseüberdosis zu sterben?
Was da nicht alles passieren könnte!
Jede Nacht liege ich nun länger wach, weil mir noch mehr potentielle Unfälle einfallen: Ich könnte mich verirren, in eine Gletscherspalte fallen, von einer wilden Kuh angegriffen werden, auf einem Kuhfladen ausrutschen, von einem Steinbock aufgespiesst werden, eine Felswand runtersausen, davongewindet werden, erfrieren, verschmachten, verdursten, so ganz ohne kulturellen Input verblöden, erschneeblinden, von den Welschen ausgelacht werden, weil mein Französisch so schlecht ist, schlaflos in einem Massenlager voller schnarchender Berghaudegen liegen und mein Fuss wird von Blatern auf ewig so entstellt sein, dass ich nie wieder meine schönen Wildleder-Gladiatoren-Sandalen tragen werden kann!

Den Berggöttern sei Lob und Dank, dass sich mein Herr Papa nun spontan und freiwillig erklärt hat, mich zu begleiten. Auch in meinem Alter hat man, ganz tief innen drin, das Gefühl: wenn der Papa dabei ist, kann doch eigentlich nichts schief gehen...

Bericht folgt!

Ich wünsche allen einen wunderprächtigen Sommer!
Erholt euch gut und Aufwiederlesen.