Sonntag, 23. Mai 2010

Es gibt viel zu tun...



...ruhen wir erst mal aus.



Dass mein Daumen grün ist, hab ich ja jetzt bewiesen.



Und nicht nur der Daumen.

Donnerstag, 20. Mai 2010

Frustshopping für Gärtner



Ja das Wetter, das Wetter, das Wetter. So schön vor allem wir Gärtnerseelen den Regen finden, weil er tausend Varianten Grün spriessen und gedeihen lässt, so gerne würden wir wieder einmal die Sonne sehen, damit wir den Garten nicht immer nur aus dem Fenster geniessen können.

Nun, jammern hat noch nie die Sonne scheinen lassen, darum halte ich es mit den Briten: rein in die Wellies und ab ins Freie. Doch ist die Gärtnerin tapfer, heisst das noch lange nicht, dass ihre Schützlinge es auch sind. Den neuen Päonien scheint die ständige Nässe gar nicht zu behagen, sie zeigen ihren Unmut mit merkwürdiger brauner Blattwelke. Die hübschen rosa-gefüllten Tulpen sind gefüllt mit Regenwasser und lassen ihre schweren Köpfe hängen. In den Töpfen wächst Moos, die duftenden lila Blütentrauben der Glyzinien lösen sich auf. Fast die Tränen kommen mir aber, als ich feststelle, dass sowohl die Knollen der Echinacea als auch die der wunderschönen, gefüllten Aquilegien (Sorte Ruby Port), die ich vor ein paar Wochen in Töpfe gesetzt hatte, sich in eklige, braune Fetzen verwandelt haben. Da hätte ich noch lange warten können, bis sie austreiben!
Was dagegen nützt? Nichts. Was hilft? Frustshopping.



Ab in die altehrwürdige Kyburg, wo im Burghof ein Setzlingsmarkt mit alten Sorten stattfinden soll. Auf der Fahrt wird der Regen noch stärker und die Enttäuschung ist gross, als wir feststellen müssen, dass der Markt nur aus vier Ständen besteht und im Burggarten, nicht im Hof stattfindet.



In erster Linie bieten die Stiftung Palme Pfäffikon und das Gehörlosendorf Turbenthal Setzlinge aus ihren betriebseigenen Gärtnereien an. Unter der üblichen Auswahl an Zucchini, Salaten und Kräutern finden sich aber doch einige Besonderheiten, etwa verschiedene Chilisorten, Baumspinat oder die Genfer Tomatensorte Tomate de Paudex.



Ich kaufe mir einen kräftigen Kürbissetzling. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich den Namen vergessen habe. Jedenfalls ist es nichts Rares, hat sich aber im Garten und in der Pfanne bewährt. Dann decke ich mich mit Rosmarin ein (meiner hat nämlich trotz Topfmäntelchen und Vlieshaube den letzten Winter nicht überstanden) und ergänze meinen Einkauf mit einer Staude Bohnenkraut.



Trotz des Regens bummeln wir anschliessend durch das pittoreske Dörfchen, dessen Besuch sich nicht nur wegen der grossen Burg lohnt. Wer wie ich gerne seine Nase über fremde Gartenhäge streckt, wird rasch feststellen, dass die Dorfbewohner äusserst pflanzenliebend sind.









Und ein Waldlehrpfad führt einem die lange, lange Treppe hinunter zur Töss:



Derart inspiriert setze ich meinen Einkauf fort, diesmal in einer meiner Lieblingsgärtnereien: "Gartehändsche" in Brütten. Hier muss ich jedesmal aufpassen, dass ich mich nicht ins Armenhaus befördere, weil ich ob der grossen, gut gepflegten Auswahl an Pflanzen immer in einen regelrechten Kaufrausch gerate. Diesmal stecke ich sogar meinen Liebsten an, der normalerweise den Garten in erster Linie wegen seines Grills schätzt. Mit Tomatensetzlingen, Wermut, Broccoli und Artischocken beladen folgt er mir nach erfolgtem Einkauf hinaus in den Garten. Glücklicherweise hat der Regen gerade eine Pause eingelegt, denn auch ich hab einiges zu verpflanzen. Nebst dem namenlosen Kürbis, dem Rosmarin und Bohnenkraut habe ich mir Kapkörbchen (Osteospermum) gekauft, deren Leuchtkraft ich einfach nie widerstehen kann, ausserdem Zucchettisetzlinge und schöne weisse Hänge-Geranien, die ein dunkles, pinkes "Mäulchen" haben, für meine stark besonnten Fenstersimse. Ok, gerade sind sie äusserst unbesonnt. Aber das wird schon wieder. Da mein erster Aquilegien-Versuch gescheitert ist, habe ich mir eine bereits ausgetriebene gekauft, eine wunderbare rosa-gelbe Sorte, wahrscheinlich extrem hochgezüchtet, aber daher dem Namen "Elfenschuh" mehr als gerecht werdend. Mein absoluter Favorit ist aber der Island Mohn (Papaver Nudicaule), der nicht nur kaltes Klima, sondern auch Vulkanausbrüche und Wirtschaftskrisen ohne Wimpernzucken erträgt, ein echter Wikinger eben. Nicht nur seine silbergrünen Blätter und seine kuschelig behaarten Knospen erfreuen das Gärtnerinnenherz, sondern auch die grosse Blüte, mit den wunderschönen zarten Blütenblättern und den goldgelb leuchtenden Staubblättern. (Man möge mir die Adjektiv-Anhäufung verzeihen...)

Abends finde ich auf dem Pflanzschildchen noch folgende Geschichte: "Es wird erzählt, Demetra, Königin der Felder und der Ernten habe nach dem Tod ihrer Tochter durch den Aufguss der Mohnblume zu ihrer Ausgeglichenheit zurückgefunden. Die Bedeutung der Papaver ist daher die des Trostes." Hmm. Was könnte wohl mit Aufguss der Mohnblume gemeint sein? Ist die gute Demeter dem Opium verfallen? Aber das wird doch aus der Milch der Kapsel des Schlafmohns gewonnen?
Kurzes Googeln führt mich schnurstracks auf eine Seite von Naturdrogenfreaks, die sich in einem Forum gegenseitig Tipps zum DIY-Rausch geben. Haarsträubend sind nicht nur die todesmutigen bis leichtsinnigen Rezepturen, in denen frischfröhlich Tollkirsche, Mohn, Stechapfel, Bilsenkraut, Engelstrompeten und andere Giftpflanzen gemischt werden, sondern auch das verwendete Deutsch, das jeden Deutschlehrer in den Wahnsinn treiben würde, ganz ohne pflanzlich nachzuhelfen.
Weiteres Googeln führt mich zu Wikipedia, wo angegeben wird, dass ein Aufguss aus den Blättern des Islandmohn früher wegen seines Vitamin C Gehalts zur Vorbeugung von Skorbut getrunken wurde. Aha.



Ich jedenfalls werd mich einfach am Anblick der Pflanze erfreuen. Angeblich soll sie bis in den September hinein blühen.

Absolutely delicious exotic coconut-carrot muffins



Die sind sogar noch besser als sie aussehen... Wers nicht glaubt solls ausprobieren.
Ja ok, die Rüebli zu raffeln ist wirklich doof, wenn man wie ich keine Raffelmaschine hat. Aber es lohnt sich.

Rezept für 12 Muffins:
140 g Mehl
1 TL Backpulver
1 Prise Salz
0.5 TL Natron
1 TL Zimt
0.5 TL Muskatnuss gemahlen
1 TL Ingwer gemahlen
1.2 dl Ananassaft
0.6 dl Rapsöl
85 g Zucker
0.6 dl Ahornsirup
1 TL Vannilleextrakt
50 g Baumnüsse oder Macademianüsse, gehackt
60 g feine Kokosflocken (ungesüsst)
225 g geriebene Rüebli

Alle trockenen, alle nassen Sachen (inkl. Zucker) gut mischen, dann alles zusammenmischen. In Papierförmchen füllen, in Muffinblech setzen und bei 180 Grad ca 25 Minuten backen.

Guss:
27 g Margerine, Raumtemperatur
0.3 dl Kokosnussmilch
1 Teelöffel Vannilleextrakt
120 g Puderzucker
60 g feine Kokosflocken (ungesüsst)
Marzipanrüebli

Ganz gut mischen! Dann richtig dick auf die Muffins pappen und mit Marzipanrüebli bepflanzen. In zweites Papierförmchen setzen.

PS. Besonders gut sieht es aus, wenn man farblich passende Muffinpapierchen verwendet, wie diese grün-weiss-gepunkteten, von Migros. Gibt`s aber nie dann, wenn man sie braucht. Darum heusche ich jeweils auf Vorrat, wenn ich irgendwo hübsche sehe...

PPS: Das Ganze kann man auch als Torte machen. Dann alle Zutaten verdoppeln, auf zwei mittelgrosse runde Formen verteilen (an Backpapier-Boden denken und Rand einfetten!). Bei 180 Grad 40 bis 45 Minuten backen. Hälfte des Gusses auf ein Bisquit verteilen, zweites Bisquit draufsetzen, dann Rest des Gusses obendrauf streichen.
Und Marzipanrüebli drauf, wenn mans mag!
Auch dieses Rezept, adaptiert und etwas abgewandelt, von Isa Chandra Moskowitz of Brooklyn`s Post Punk Kitchen!

Sonntag, 16. Mai 2010

Run baby run!



Schlotternd und klatschnass stehe ich inmitten hunderter anderer schlotternder, klatschnasser Menschen und frage mich, wie eigentlich jedes Jahr, warum zum Geier ich mir das jedes Mal wieder antue. WARUM?! Und wie jedes Mal sage ich mir: diesmal ist wirklich das letzte Mal.

Wenn hunderte Menschen sich bei strömendem Regen versammeln, um Seite an Seite 17 Kilometer wie vom Teufel gejagt durch den Matsch zu rennen, handelt es sich dabei mitnichten um Schweizer Grenadiere und auch nicht um eine kuriose finnische Nationalsportart, sondern um den alljährlich an Auffahrt stattfindenden Flughafen-Lauf.

Warum ich mir den antue? Freiwillig? Obschon ich in keinem Sportclub bin und zu meiner Schulzeit eine der Sorte Schülerinnen war, die einen Turnlehrer in seinen schlimmsten Alpträumen quälen?

Irgendwie mag ich einfach die Vorhersehbarkeit des Ablaufs.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es an diesem Tag regnet liegt bei, keine Ahnung wievielen Prozenten, auf jeden Fall ist sie sehr hoch. Oder ist es zumindest, seit ich am Flughafenlauf teilnehme.

Das Schulhaus auf dem Hügel in Kloten dient als Basislager. Kurz vor dem Startschuss gleicht es einem Ameisenhaufen. Menschen in Funktionskleidung wuseln geschäftig durcheinander, verrenken sich, hüpfen und tänzeln nervös auf der Stelle, die Luft in den Gängen dampft vor Körperwärme, es riecht nach Waschmittel, Dul-X und nassem Hund. Draussen prasselt der Regen erbarmungslos auf die Plastikzelte der Helfer und Sponsoren, nur knapp übertönt vom nervtötenden Geschwafel des Moderators, der zwischen den Technomusik-Beats verkündet, dass die zehnjährige Annalena aus Lufingen jetzt auch ins Ziel einläuft oder der Start der Kategorien M bis S in zehn Minuten erfolgt und sich die Zuschauer bitte aus dem Startbereich verziehen sollen. Wie jedesmal möchte ich ihm am liebsten das Mikrophon ins Grossmaul stopfen. Wie wäre es mit meditativer Stille vor dem Lauf?

Beim Anstehen vor den blauen Toi-Toi-Boxen auf den Pausenplatz beginne ich ebenfalls unruhig zu tänzeln. Aber nicht wegen der Bummbumm-Musik oder vor Nervosität, sondern weil sich die vielen Frauen so lange in den Kabinen aufhalten, dass ich fürchte, nicht mehr rechtzeitig zum Start zu kommen. Genau wie in den Jahren zuvor. Und trotzdem reicht es immer, diesmal in erster Linie, weil mich der infernalische Gestank in Windeseile wieder raus treibt. Jemand vor mir muss schrecklich nervös gewesen sein. Natürlich bin ich nun, nach gefühlten drei Stunden Anstehen unter freiem, sich aus allen Kübeln ergiessendem Himmel nass.

Die Schlaueren haben sich rechtzeitig einen Sklaven organisiert, der ihnen nicht nur bis kurz vor dem Start einen Regenschirm über den Kopf hält, sondern ihnen auch die Jacke, die Gatorade-Flasche und die halbgegessene Banane abnimmt. Der Sklave übernimmt ferner die Aufgabe, den Athleten in jeder Zuschauerkurve zu erwarten, mit motivierenden Rufen anzufeuern, ihn mit Spezialdoping zu versorgen (ich sage nur: Ovi-Schoggi!) und natürlich am Ziel, heiser und durchnässt, mit isotonischen Getränken, überschäumendem Lob und einer warmen Decke zu erwarten. Wie jedesmal hatte ich es verpasst, mir einen Sklaven zu organisieren. Nicht dass ich es nicht versucht hatte. Aber die potentiellen Opfer hatten leider alle schon was vor. Nämlich im warmen Bett zu bleiben, an einem ekelhaften Tag wie diesem. Ich konnte es ihnen nicht mal verübeln.

So stehe ich wie jedes Jahr am Start und frage mich, welcher Teil in meinem Gehirn eigentlich zuständig ist, dass ich nicht einfach nach Hause gehe. Dann knallt der Schuss, ich mache einen kleinen Schrecksprung, wohl wegen des vielen angestauten Adrenalins im Körper und beschliesse, es doch noch einmal zu wagen. Nur noch einmal und das nächste Jahr dann aber sicher zu Hause zu bleiben.
Die Menge setzt sich, langsam, Schritt für Schritt in Bewegung, dröselt auseinander, bis die ehrgeizigen Jungs und Mädels, die bereits seit einer Stunde an der Startlinie bereit standen, auf und davon sind, während die weniger Ambitionierten geduldig warten und dann, ist der Platz erst frei, lostraben.

Ich versuche, mich nicht von den links und rechts an mir vorbeirasenden Menschen ablenken zu lassen, sondern mich auf die gemächlich dahinfliessende Glatt zu konzentrieren, die Vögel, die aus Leibeskräften versuchen, den Lärm der Flugzeuge zu übertönen und die Wald- und Wiesenkräuter am Wegrand. Bald aber versuche ich nur noch, nicht auf Regenwürmer zu treten. Der Flughafenlauf muss ihnen wie eine jährliche Plage Gottes vorkommen.

Und sie werden kommen, der Boden wird zittern und beben unter ihren Füssen, Donner wird sie ankündigen und sie werden euch zertreten, zermalmen, zerquetschen im Dreck!

Bei der ersten Zwischenverpflegung angekommen, muss ich schmunzeln. Die Teilnehmer, durch Pfützen und Regen rennend, die Funktionskleidung am Körper klebend, die Haare tropfend, unter der Kleidung nass geschwitzt, nähern sich den Festbänken und was schreien die hilfreichen Helfer, kaum nähern wir uns? Wasser! Wasser!
Wie wärs mit: Warme Frotteetücher! Trockene Turnschuhe! Ein weiches Bett!?
Leider fehlt mir die Puste, um Witze zu reissen, deshalb renne ich weiter.

Nach etwa acht Kilometern zeigt sich, wer die Energie gut eingeteilt hat. Ich überhole, ok ja, ich gebe zu, etwas schadenfreudig, zwei Jungs, die ein bisschen gehen müssen, weil sie sich übernommen haben.

Vor mir laufen nun zwei Mädels, die sich gut unterhalten, sowie ein Junge in äusserst knackigem kurzen Sportdress. "Knackig" leider nicht im Sinne von gut sitzend, sondern im Sinne von: das Zeug hatte ich zuletzt vor zehn Jahren an, damals hat es mir gepasst, könnte sein dass ich seitdem ein kleines bisschen zugelegt habe... Die echt-knackigen Jungs sind wahrscheinlich schon lange im Ziel. Knack-Boy nervt es gewaltig, dass er von zwei jungen Frauen überholt wird. Aus Rache versucht er es mit Schattenlauf. Das ist das, was die Rennvelofahrer an der Tour de Suisse machen. Sein Opfer, an dessen Schulter er klebt, ärgert sich sichtlich, vermag aber nicht, ihn abzuhängen. Ich amüsiere mich derweil, passiert ja sonst nicht viel, für den, der sich nicht für Flugzeuge im Regen interessiert. Bei Kilometer zehn erwachen in Knack-Boy ungeahnte Kräfte, gedopt von den eingeatmeten weiblichen Pheromonen zischt er ab. Die Mädels atmen auf und ich muss mich wieder auf die Landschaft konzentrieren, die grün und sumpfig ist.

Nass, mit rotem Kopf und klammen Händen trabe ich voran, an der in leuchtorange gekleideten Hilfsperson vorbei, die darauf achtet, dass keiner nach Bülach rennt und die blaue Lippen hat vor Kälte. Links und rechts des Weges ertönt hämisches Gelächter zwischen den gelben Sumpfschwertlilien: Huähuähuähuähä-ä-ä. Es sind Frösche, die ihren Spass haben bei diesem Wetter, vielleicht amüsieren sie sich aber auch nur ab uns.

Kilometer dreizehn. Nur noch vier Kilometer und ich fühl mich grossartig. Ich überhol die Mädels.

Der Weg ist jetzt schmal und fast durchgehend unter Wasser. Bei jedem Schritt spritzt der Dreck auf alle Seiten. Ich werfe immer wieder Blicke zurück, normalerweise ist das der Zeitpunkt. Wie gesagt, ich weiss, wie der Hase läuft, am Flughafenlauf. Jetzt müssten sie kommen. Normalerweise beginnt bei Kilometer dreizehn die Erde zu beben. Keuchen, erst leise, dann lauter, nähert sich. Stampfen von unzähligen Füssen, dann kommen sie: die Senioren. Die alten Knaben starten nämlich eine ganze Dreiviertelstunde nach den anderen, was sie nur noch mehr antreibt, möglichst viele der Grünschnäbel, Schlappschwänze und Weicheier vor ihnen einzuholen. Ich weiss jetzt, was eine Stampede ist. Am liebsten würde ich jeweils ins nächste Gebüsch hechten und warten bis sie vorbei sind. So versuche ich einfach mich möglichst klein zu machen und zu hoffen, dass mich keiner niederschlägt. Keuch-keuch-uächz, keuch-keuch-uächz tönt es, dann rasen sie vorbei, oft zu dritt nebeneinander, Ellbogen an Ellbogen, der Dreck spritzt meterhoch unter ihren Hightech-Turnschuhen, der Schweiss und die Spucke sprühen in feinem Nebel, und wenn man Glück hat, demonstrieren sie gleich noch einen echten Läuferrotz: Da wird nicht während des Laufens umständlich ein feuchtklammes Tempo aus dem Mini-Hosentäschchen gefriemelt und geziemt hineingeschneuzt, nein man hält sich den Finger an die Nase, wartet auf das nächste unschuldige Opfer und PFFFFRRRRTSCHT!

Wenn ich vorher nicht schon lange gern unter der warmen Dusche gestanden wäre, dann spätestens nachdem mich die Senioren überholt haben.

Nichts. Dafür taucht vor mir Knack-Boy auf. Er muss gehen. Als er mich hört, macht er einen letzten Versuch, nochmal Gas zu geben, aber vergeblich. Ich hüpfe leichtfüssig an ihm vorbei. Immer noch keine Spur von den Alten.

Diesmal verkünde ich, äusserst stolz, dass ich bis zum letzten Verpflegungsstand kam und etwa dreihundert Meter hinaus, als ich das erste verräterische Keuchen hörte. Ein einsamer alter Knacker in peppiggrünen Turnschuhen rast an mir vorbei, in einem Tempo, als würde er versuchen, einen bereits fahrenden Zug noch zu erwischen. Wahnsinn, echt. Ich rede mir ein, dass der sich jedes Jahr im Gebüsch versteckt und dann im entscheidenden Moment losdüst, um die echten Läufer aus dem Konzept zu bringen.

Das Rennen geht in die entscheidende Phase. Es kommt die Überführung beim Flughafen, dann der Parkplatz, wo der Fotograf unter seinem Regendach hockt und die nudelfertigen, klatschnassen Läufer für die Ewigkeit festhält und bereits die ersten, echt-knackigen Jungs und Mädels ihre Sachen im Auto verstauen, mit einem arrogant-mitleidigen Lächeln auf den Lippen den Weicheiern gegenüber, die erst jetzt am Ziel eintreffen. Nun überholen mich die fitten Senioren zu Hauf, und einer checkt mich tatsächlich mit dem Ellbogen aus dem Weg. (Dieser ungehobelte Turnschuhgreis, wenn ich den erwische, hau ich ihm den Rollater über die Rübe!)

Und dann kommt der berühmt-berüchtigte Stutz, der Hoger, der Hang, den es nach 16,5 Kilometern noch zu erklimmen gilt. Am schlimmsten ist nicht die Steigung, sondern dass hier die Zuschauer stehen, um sich schadenfreudig anzusehen, wie sich arme Verrückte auf den letzten Metern lieber die Lunge aus dem Leib katapultieren, als ihre Ehre zu verlieren. Mir krampft jetzt schon das Herz zusammen vor Mitleid für Knack-Boy. Aber nur kurz, schliesslich bin ich beschäftigt mir gut zu zureden: Denk an die warme Dusche! Denk an dein Bett! Bald hast du es geschafft! Lauf, altes Mädel, lauf! Und dann die Technomusik, die Ziellinie. Ich renne die letzten 200 Meter noch so schnell ich kann, dann hab ich es geschafft. Glück durchströmt mich, vor allem aber Erleichterung.

Durch den Regen humple ich zum Geschenkestand und nehme die Plastiktasche mit den Goodies entgegen. Es gibt, nicht wie an anderen Läufen ein hässliches T-Shirt in Grösse XL (weil die letzten noch kriegen, was übrig bleibt und es einfach zu wenig Läufer mit XL, aber zuviele mit Grösse S gibt), sondern ein Glas Honig (Kerosingedopt), eine Packung Hörnli, eine Minipackung Sportmüesli, einen Apfel, einen Gutschein für Bächli Sport (oder Stöckli?) und regenwässrige isotonische Getränke bis zum Abwinken. Vor den Toitoi-Boxen steht jetzt keiner mehr, dafür vor dem Zelt mit den Getränken, den Nussgipfeln und Bratwürsten. Kinder hüpfen durch die Pfützen oder prügeln sich mit durchweichten Plakatrollen, wo Hopp Papi! draufsteht. Überall dreckverspritzte Gestalten, in den Gängen des Schulhauses riecht es jetzt nach Schweiss, Dul-X und Seife. Halbnackte, nackte und angezogene Männer und Frauen wuseln durcheinander, der Boden ist nass. Ich suche meine Tasche zwischen all den tausend anderen Taschen, erinnere mich dann doch noch daran zu dehnen. Wieder einmal bin ich auf den hinteren Rängen und werde es in diesem Leben wohl nicht mehr aufs Podest schaffen, wie Christian Kreienbühl, der die 17 Kilometer tatsächlich in 54 Minuten gerannt ist. Dazu müsste ich nämlich genau doppelt so schnell rennen.

Aber trotz der nassen Füsse, der klammen Hände, der müden Beine, der Druckstelle am kleinen Zeh, dem Ziehen in den Knien, und des Fröstelns, das mich bis ich zu Hause im warmen Bett liege nicht mehr loslässt, fühle ich mich durch und durch zufrieden. Und ein bisschen stolz. Und in dem Moment weiss ich wieder, warum ich mich jedes Jahr wieder überreden lasse, am fluglärmintensivsten Lauf der Schweiz teilzunehmen...

Donnerstag, 6. Mai 2010

Das A bis Z des Gartens



Anfangen, immer wieder von vorn, neues Spiel-neues Glück

Brot so man denn will, aber oft eher Zucchini, Karotten, Salat, oder Rhabarber, manchmal auch fast bis zum Bersten (des Magens und des Kühlschranks).

Chance in Zeiten wie diesen Geld zu sparen –bei den Lebensmitteln und beim Fitness-Abo und gesellschaftspolitisch dem neusten, sehr ökologischen Trend zu frönen: dem „lifestyle of health and sustainability“ (LOHAS).

Dantes Divina Commedia: Da umschlingt und würgt das Efeu den alten Zwetschgenbaum, es saugen die Blattlaus-Armeen dem Fingerhut den letzten Saft aus, dort röstet der Sternrusstau die zarten grünen Rosenblätter, da zerren zwei streitende Amseln einen zappelnden Regenwurm entzwei, es vergilbt der Rasen langsam im Schatten des mächtigen Hasels, der seine Zweige nach Licht gierend auf alle Seiten austreckt, dort erstickt das wuchernde fette Moos gnadenlos die frischen Grashalme und wer der Versuchung der Belladonna verfällt, wird von schrecklichen Krämpfen und Halluzinationen geplagt und sich das Gras bald von unten ansehen. Doch wenn sich der geduldige Büsser im Purgatorio seines Gartens ausreichend abgemüht hat, wird er alsbald mit seinem persönlichen irdischen Paradies belohnt.

Edens Vorort –wo frau Eva wird und versucht, dem steinigen Boden unter Einsatz aller Körperkräfte Frucht und Blüte abzutrotzen.

Fest der Sinne –Das Blumenbeet ein kinderparty-buntes Kaleidoskop Gottes, Rosen und Engelstrompeten, die zum Rausch der Düfte blasen, ein zum Festschmaus lockender Küchengarten und Amseln, die durchs Regenrauschen das Wurmjagd-Halali rufen, derweil der Gärtner selig in der weichen Wiese liegt und sich seine Mückenstiche kratzt.

Gummistiefelpflichtig! Und seit bekannt ist, dass auch die Queen und Kate Moss Hunter-Wellies tragen, kann frau damit umso stolzer durch den Garten stapfen.

Hass: Nie gekannter, schäumender, unterirdischer Hass auf Dickmaulrüssler, Blattläuse, Engerlinge, Nacktschnecken, Spinnmilben, Spätfrost und andere Spielverderber.

Igelzone: Wenns nachts unvermutet schnüffelt, faucht und röchelt, als würde ein asthmatischer Greis im Gebüsch liegen, ist es wohl einer der gern gesehenen stachligen Gäste, derentlieben man auf Schneckenkörner verzichten sollte.

Joch, eines das man bereitwillig trägt. Im Garten mutiert man zum Arbeitstier, lässt Blut, Schweiss und Tränen in die Erde tropfen, plagt sich mit Hexenschuss, Muskelkater, Schwielen und lässt sich von Brombeerranken zerkratzen. Doch wer Ende des Tages seine dreckstarren Hosen und Hände betrachtet, und aussieht, als wär er in einen Nahkampf mit einer tollwütigen Mieze verwickelt gewesen, weiss, dass er was getan hat.

Keeping up with the Joneses“ –der Blick über den Gartenhag ist unvermeidlich. Locker bleiben oder Mauer bauen. Bestenfalls freundschaftlich Tipps und Tricks, Samen und Stecklinge austauschen.

Latein. In erster Linie. Von Alchemilla mollis bis Zamia pumila kämpft man sich durch das einst von Linné gepflanzte Dickicht. Einprägen lohnt sich, um unter Gärtnern etwas Eindruck zu machen… Ausserdem unerlässlich, wenn man im Ausland Samen, Knollen und Zwiebeln bestellt.

Malers Inspiration: nicht nur Monet, auch Meier und Müller können im Garten in Farbenmeer und Lichterglanz eintauchen.

Narrenfreiheit: Mein Garten gehört mir. Hier darf man alles: Nabelschau betreiben, Nadeln im Heuhaufen suchen, Nespresso trinken, Nagetiere weiden lassen, Natur ihren Lauf lassen, Nasenbohren, Nacktwandern, Narzissen pflanzen oder einfach Nichts tun.

Opium fürs Volk: Wer einen Garten hat, ist beschäftigt. Und zufrieden.

Parkplatz für das Auto, den Liegestuhl, den Grill, Brennholz, die Satellitenschüssel, den ausrangierten Geschirrspüler und den gehbehinderten Opa.

Queckenpest: Von der Sand-Quecke, Dünen-Quecke, Strand-Quecke, Hunds-Quecke, Binsen-Quecke, Graugrüne Quecke, Stumpfblütige Quecke, Kriech-Quecke , Lockerblütige Bastard-Quecke, Bastard-Kriech-Quecke, Bastard-Binsen-Quecke, bis zur Kammquecke –Quecke wächst garantiert in deinem Garten. Ob du willst oder nicht. Sie war vor dir da und wird auch nach dir noch weiterwuchern.

Rückzugsort für geschundene Seelen und Helden des Alltags.

Spinozas pantheistische Vorstellung des Olymps, dem Ort, wo Gott in seiner Mannigfaltigkeit wohnt: Im Ameisenhaufen, im Vogelnest, im Maulwurfshügel, im faulen Apfel und in der Regentonne. Also bitte etwas Respekt bewahren!

Tonne der Danaiden, mit welcher der Garten-Sisyphus bestraft wird: ein Traum, der stets kurz vor der Vollendung steht. Oder Tonne, in welcher der gemeine Garten-Diogenes die Sonne geniessen und über das Leben sinnieren kann.

Ursprung allen Lebens, dem christlichen zumindest, alles andere stammt bekanntlich aus der Ursuppe .

Vereinsträchtig: wer will findet ein breites Angebot an Gleichgesinnten: vom Schrebergartenverein bis zur Royal Horticultar Society, von der Guerilla Gardening Community bis zum Verband Naturgarten. Selbstverständlich spriesst der moderne Garten auch online.

Wunderland: Wie aus einem winzigen Samenkorn eine Blume wird, ist für den, der genügend Geduld aufbringt, immer wieder ein Wunder. Wunderbar aber auch, wie bestimmte Pflanzen auf den kundigen Gärtner wirken: berauschend, beflügelnd, betörend, betäubend.

XS oder XXL, x-beliebig: ob Fenstersims oder Schlosspark, Garten ist überall möglich.

Yin und Yang, in dem Yoga, Yggdrasil der Weltenbaum, Yuppies, Yetis, Yaks, Yuccapalmen, Yams und Yorkshireterrier einen Platz finden, so man denn will.

Zen praktizieren: Sich auf die Tätigkeiten konzentrieren, darin aufgehen und so wahre Erleuchtung beim Rechen, Jäten oder Mähen erfahren. Praktisch: durch Arbeit zur Spiritualität! Schachtelweise Unkrautvertilger und Schneckenkörner verteilen oder Nachbars Bäume vergiften, weil sie das eigene Blumenbeet beschatten, passt natürlich nicht zu dieser Haltung. Also immer schön zen bleiben.