Samstag, 19. Juni 2010

Jawoohl!



Sie ist wieder da, die schönste Zeit im Leben eines Mannes: Die Fussball Welt Meisterschaft. Wie sich bis anhin völlig normale, unauffällige, nette Jungs plötzlich in brüllende, aggressive Halbaffen verwandeln können, sobald 22 andere Männer einem Ball nachspringen, ist mir immer noch rätselhaft. Nun kann man entweder das Weite suchen, sich also vier Wochen an einem fernsehlosen Ort verschanzen (doch wo gibts den noch?), oder, wohl oder übel mitmachen.

Da für mich sämtliche Ballsportarten direkt aus der Hölle kommen, so zumindest habe ich es als mageres, ängstliches Kind gelernt, fällt es mir schwer, mich für Fussball zu begeistern. Allgemein mache ich lieber Sport, als anderen dabei zu zu sehen. Ausser Ballsportarten. Nach meinem Ableben werde ich einen Stock tiefer wohl den ganzen Tag Ball spielen müssen: Volleyball, Handball, Basketball, Fussball, Ball über die Schnur, Brennball, Jägerball und das allerschlimmmste: Alle-gegen-alle-Ball. Und zwischendurch muss ich Weitwurf trainieren.

Es wird kaum erstaunen, wenn ich sage, dass ich als Kind vor allem eins gut konnte: Laufen. Und Gebresten vortäuschen. Es traf sich gut, dass ich ohnehin immer bleich wie Magermilch war. So brauchte ich jeweils nur noch etwas traurig zu gucken und mir den Bauch halten, dann durfte ich mich an den Rand setzen. Das war auch den Ballspielenden lieber.
Später verschanzte ich mich in gigantischen Trainerhosen und noch grösseren T-Shirts und verhielt mich derart muffelig-unkooperativ, dass mich der Sportlehrer lieber gleich in den Fitness-Raum oder zum Joggen schickte. Manchmal tat ich das auch. Oft aber genoss ich einfach die freie Stunde draussen, rauchte und wartete, bis die Stunde um war.
Noch heute verursacht mir allein der Geruch einer Turnhalle Brechreiz und rote Ausschläge.

Aber zurück zum Thema.

Spontan fallen mir wirklich mehr Gründe ein, warum man Fussball nicht schauen soll:

1. Weil es fett macht. Come on, 90 Minuten sitzen, Bier trinken und ungesundes Zeug in sich rein stopfen? Nicht gut für die Bikinifigur.
2. Weil das Vuvuzela-Gedröhne WAHNSINNIG macht. Ja ich weiss, es gehört dazu, aber trotzdem.
3. Weil man sich beim begeisterten Verfolgen des Balls mit den Augen so fühlt wie ein Hund.
4. Weil es nicht lustig ist, wenn die Favoriten-Mannschaft gewinnt und man keine Autohupe hat, weil man kein Auto hat. Veloklingeln macht einfach nicht soviel her.
5. Weil die Studiogespräche zwischendurch so lahm sind, dass man sich an den Haaren rupfen will. Oder geht das nur mir so?
6. Weil manchmal sooo eeewig laaange nichts passiert. Schlimmstenfalls sogar geschlagene 90 Minuten lang. Und dann kommt noch die Nachspielzeit. Wo nochmal nichts passiert. So geschehen zum Beispiel bei Frankreich gegen Urugay.
7. Weil es immer so frustrierend ist, wenn Männer nicht das tun, was man ihnen sagt.
8. Weil man in diesen 90 Minuten soviel Sinnvolleres tun könnte.
9. Weil ich ein Mädchen bin.
10. Warum sollte ich etwas schauen, in dem keine Dialoge, keine Witze und keine Liebesgeschichte darin vorkommen? Nicht mal ein Happy-End ist garantiert!

Warum man doch schauen soll:

1. Dem Liebsten zuliebe. Der freut sich nämlich. (Aber nur wenn man ruhig ist.)
2. Weil man den Liebsten nochmal ganz neu kennenlernt. Soviel Aufregung wegen etwas, das nichts mit Kunst (im engeren Sinne) zu tun hat, hätt ich meinem gar nicht zugetraut.
3. Fussball gucken ist bei weitem nicht so schlimm, wie Fussball spielen.
4. Um Fussball zu gucken, muss man die Regeln nicht unbedingt verstehen. Es reicht wenn man weiss, wer welche Mannschaft ist und auf welche Seite sie spielen. (Oft schon eine grosse Herausforderung für mich. Und wenn ich es endlich weiss, ist Halbzeit und dann ist es wieder anders.)
5.a Weil zwischendurch ein paar scharfe Jungs mitkicken. Und wenn frau Glück hat, ziehen sie am Schluss sogar das Hemdchen aus! (Auf der Website vom SF sind alle Mannschaften drauf, da kann man sich seine Lieblinge aussuchen. Ein Leckerli: Däne Nicklas Bendtner. 5.b: Weil man als Frau seine Favoriten nach dem Aussehen wählen kann und nicht auf das Können schauen muss...)
6. Weil die Kollektiv-Euphorie so ansteckend ist.
7. Weil man mal ohne schlechtes Gewissen Bier und Mais-Chips futtern kann. Das ist wie Guetzli und Weihnachten oder Glace und Strand. Das gehört zusammen, da darf, nein muss man im Ernährungsregime ein Auge zudrücken.
8. Weil man beim Small-Talk mitreden kann. (Und dann ausgelacht wird, wenn es sich herausstellt, dass man keine Ahnung hat. Aber trotzdem.)
9. Weil man dann abends eine gute Ausrede hat, um sich vor unliebsamen Aufgaben zu drücken.
10. Weil es zwischendurch tatsächlich Spass macht und spannend ist, jawohl!

Ich wünsche allen eine frohe WM!

Mittwoch, 16. Juni 2010

Paradise Lost



Seit Garten Eden ist viel Zeit vergangen. Das Paradies hat seine Unschuld verloren, vorbei die Zeit, da Mensch und Tier friedlich zusammen lebten. Mord und Totschlag macht auch nicht vor dem eigenen Garten Halt. Als Vegetarierin, Pazifistin und auch sonst sehr harmonieliebende Person hatte ich mich zu Beginn meiner Gärtnerkarriere in falscher Sicherheit gewiegt. Liebevoll siedelte ich Schnecken vom Gemüse zur Hecke um, schloss Freundschaft mit Ameisen, Kellerasseln und den lustigen Käferli, die alsbald meine Pflanzen bevölkerten. In einem Disney Film wäre ich strahlend inmitten des Insektenvolks gesessen, Schnecken auf der einen, Raupen auf der anderen Schulter sitzend und hätte mit ihnen im Duett ein Liedchen gesungen.

Aber dann. Dann entdeckte ich eines Morgens meine Funkien, oder was davon übrig war.
"Sie händ aagfange!" kann ich da nur sagen und so musste auch ich alsbald zu Schneckenkörnern greifen, da mein Vermieter sich leider ausdrücklich gegen die biologische Variante (Enten!) ausgesprochen hatte. Zum Glück gibt es ja heute umweltfreundliche Produkte, welche Vögel und Igel nicht schaden, etwa Ferramol. Dennoch, ein schlechtes Gefühl bleibt.

Und so ging es Schlag auf Schlag. Hatte ich in den vergangenen Jahren noch sorgfältig von Hand Läuse von den Rosen gesammelt, nur um meine Schützlinge wenig später an den Sternrusstau zu verlieren, spritzte ich auf Anraten sämtlicher Spezialisten dieses Jahr schon kurz nach dem Austrieb mit vermutlich sehr unbiologischem Fungizid. Jetzt blüht mein "Schneewittchen" aus voller Kraft.

Den Läusen hat das Gift nicht viel ausgemacht. Sie sind kurzerhand umgezogen und besiedeln jetzt so ziemlich jede meiner Pflanzen, ausser dem Lavendel. Nach einem erfolgreichen Bündnis mit den Ameisen veranstalten sie nun regelrechte Pflanzensaft-Besäufnisse und Rudelbums-Parties. Gegen die explosionartige Vermehrung kam ich allein nicht mehr an.

Neutrale Schweizerin die ich bin, wollte ich mich nicht länger in fremde Konflikte einmischen (Pflanze versus Laus) und habe beschlossen, jemand anderen die Drecksarbeit machen zu lassen, auf dass ich weiterhin meine Hände in pazifistischer Unschuld waschen kann. Und so habe ich über das Internet Verstärkung angefordert. Sie kam in Form von 100 hungrigen Marienkäferlarven, die nun für Angst und Schrecken unter den Läuse sorgen sollen. Doch ach, ich hatte nicht gewusst, dass die Ameisen-Hirten die Läuse nicht nur hinauf auf die zarten Pflanzengründe treiben, um sie dort zu weiden und zu melken. Natürlich verteidigen sie ihre Herden auch.
Da die Larven zum Lieferzeitpunkt noch nicht gross genug sind, sich selbst zu wehren, musste erst den Sennen den Garaus gemacht werden. So übergoss ich schweren Herzens alle Ameisennester entlang des Weges mit kochendem Wasser, nicht ohne pseudo-indianische Beschwörungs- und Entschuldigungsformeln zu murmeln.

Doch mein Garten hatte eine weitere ernüchternde Überraschung für mich. Nach unzähligen BBC-Dokus weiss ich zwar mittlerweile, dass Mutter Natur nun mal nach dem Fressen-und-Gefressen-werden-Prinzip funktioniert. Dennoch, vollends aus meiner heilen Welt fiel ich erst, als ich kürzlich eine Hummel etwas gar leblos aus einer Schneewittchen-Blüte baumeln sah. Erst kamen mir fast die Tränen. Dann ein filmreifer Schrei: Eine fette, weisse Spinne hatte sich in der Rosenblüte versteckt und lauerte dort, geschickt getarnt, auf Beute. Sie hatte die ahnungslose Hummel frontal gepackt und bis auf den letzten Lebenstropfen ausgesaugt. Der blanke Horror! Splatter-Movie-Stoff in meinem friedlichen Garten!



Nach anfänglichem Ekel und Schrecken tröstete ich mich mit dem Gedanken, dass sich nur deshalb soviel buntes Volk in meinem Garten einnistet, weil er so schön und vielfältig ist, oder? Am gleichen Tag entdeckte ich nämlich auch einen unheimlichen, dünnen, braunen Käfer mit Hörnern am Po: ein Ohrenmüggler, verriet mir mein Herr Papa. Auch Ohrwurm genannt. Der praktischerweise Läuse fresse. Hurra! Und er hat von ganz allein den Weg zu mir gefunden!

Man müsste meinen, dass die Spinnen-Bestie nun für drei Wochen satt gewesen wäre, aber schon tags darauf schnappte sie sich eine Biene. Wenn das dickarschige Ungeheuer wenigsten Läuse fressen würde! Leider scheiterten alle meine Versuche, die Krabbenspinne, die wir mittlerweile "Görrt" getauft haben, auf Läuse-Nahrung umzustellen. Auch Ameisen verschmähte sie. Sie ruderte bloss angriffslustig mit ihren weissen Vorderbeinen und verzog sich dann blitzschnell wieder ins Innere ihrer Blütenbehausung.

Glücklicherweise blüht nun der Ziersalbei. Das lockt die Bienen aus der Gefahrenzone.